EuGH Generalanwalt Yves Bot hält Fluggesellschaften bei Kollision eines Vogel für haftungspflichtig bezüglich der Zahlung einer Flugentschädigung bei Flugverspätungen oder Flugannullierungen.
Berlin, 3. Mai 2017 – Der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof Yves Bot plädiert in der Rechtssache C-315/15 (Pesková u.a. v. Travel Services a.s.) für eine Haftung der Fluggesellschaften auf Ausgleichszahlung, wenn ein Vogelschlag zu einer Flugverspätung geführt hat. Damit nimmt der Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof die Gegenposition zur Rechtsansicht des Bundesgerichtshofes in Deutschland ein. Der Bundesgerichtshof in Deutschland hatte in zwei Angelegenheiten (BGH Urteile vom 24.09.2013, Aktenzeichen X ZR 129/12 und X ZR 160/12 in Sachen Brussels Airlines) entschieden, dass ein Vogelschlag einen außergewöhnlichen Umstand nach der europäischen Fluggastrechteverordnung Nr. 261/2004 begründet, der die Fluggesellschaften von der Zahlungspflicht auf Entschädigung bei Flugverspätung oder Flugannullierung befreit. Mit Spannung wird nun das Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-315/15 (Pesková u.a. v. Travel Services a.s.) am 4. Mai 2017 erwartet. Die erwartete Entscheidung des EuGH vom 04.05.2017 zur Ausgleichszahlung einer Fluggesellschaft bei Vogelschlag bindet alle Gerichte der EU Mitgliedstaaten, so dass der Bundesgerichtshof das EuGH-Urteil zum Vogelschlag in Deutschland umsetzen und seine Rechtsprechung gegebenenfalls korrigieren muss.
In der Rechtssache C-315/15 (Pesková u.a. v. Travel Services a.s.) hat der Europäische Gerichtshof darüber zu entscheiden, ob die Kollision eines Vogels mit einem Flugzeug (Vogelschlag), die zu einer mehr als dreistündigen Flugverspätung geführt hat, einen “außergewöhnlichen Umstand” im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 darstellt, der die Fluggesellschaft von der Verpflichtung befreien würde, den Fluggästen für diese Flugverspätung eine Ausgleichszahlung über 250, 400 bzw. 600 Euro pro Person zu leisten.
In dem vom EuGH zu entscheidenden Fall eines Vogelschlags flogen Frau Pesková und Herr Peska mit der Fluggesellschaft Travel Service a.s. von Burgas (Bulgarien) nach Ostrava (Tschechische Republik). Bei der Zwischenlandung in Brno kollidierte das Flugzeug mit einem Vogel. Für die Kontrolle des Flugzeugs nach dem Vogelschlag musste ein Techniker eingeflogen werden. Dies verursachte eine Flugverspätung von 5 Stunden und 20 Minuten. Frau Pesková und Herr Peska verlangten daraufhin von der Fluggesellschaft eine Ausgleichszahlung über jeweils 250 EUR für die Flugverspätung. Die Fluggesellschaft verweigerte die Entschädigung und berief sich auf den außergewöhnlichen Umstand Vogelschlag. Daraufhin klagten die Flugpassagiere und erhielten in erster Instanz durch das Bezirksgericht Prag Recht. Die Berufung der Fluggesellschaft gegen das Urteil wurde durch das Stadtgericht Prag zurückgewiesen, woraufhin die Fluggesellschaft Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof der Tschechischen Republik erhob. Der Verfassungsgerichtshof der Tschechischen Republik legte dem Europäischen Gerichtshof die Angelegenheit zur Vorabentscheidung vor und fragte, ob ein Vogelschlag, also die Kollision eines Flugzeugs mit einem Vogel, ein außergewöhnlicher Umstand im Sinne des 14. Erwägungsgrundes der Verordnung Nr. 261/2004 ist.
In seinem Schlussantrag zur Rechtssache C-315/15 plädoyierte der Generalanwalt beim EuGH Yves Bot, dass ein Vogelschlag kein außergewöhnlicher Umstand sei.
Fluggesellschaften sind von der Verpflichtung zur Ausgleichszahlung nach einer Flugverspätung oder Flugannullierung befreit, wenn sie nachweisen können, dass die Flugverspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Ein außergewöhnlicher Umstand ist ein Vorkommnis, das zum einen nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit einer Fluggesellschaft ist und zum anderen aufgrund seiner Natur oder Ursache von der Fluggesellschaft nicht zu beherrschen ist. Die EU Fluggastverordnung Nr. 261/04 stellt die Regel auf, dass Fluggesellschaften den Fluggästen bei einer Flugannullierung oder Flugverspätung die Flugentschädigung zu zahlen haben. Ausnahmen von dieser Regel zur Zahlung der Entschädigung sind eng auszulegen, wie der EuGH in ständiger Rechtsprechung betont.
EuGH Generalanwalt Yves Bot hält die Gefahr eines Vogelschlags für untrennbar mit der Luftfahrt verbunden.
Die von Vögeln ausgehende Gefahr für Flugzeuge ist ein typisches Phänomen der Luftfahrt. Bereits im Stadium des Flugzeugbaus werden die Teile, die für einen Vogelschlag besonders anfällig sind – insbesondere Motor und Cockpitscheibe – Tests unterzogen, um das Lufttüchtigkeitszeugnis für das Flugzeug zu erlangen. Um die Widerstandsfähigkeit des Flugzeugs gegen Vogelschlag zu testen, verwenden Flugzeughersteller regelmäßig “Hühnerkanonen”. Je nach Modell des Flugzeugs und des Motors muss die Flugzeugstruktur in der Lage sein, den Aufprall von Vögeln verschiedener Größe auszuhalten. Auf den meisten Flughäfen werden verschiedene Methoden (z.B. Abschuss von Knallraketen, Laserscheinwerfer, imitierte Angstschreie oder Trockenlegung von Tümpeln) angewandt, um Vögel und andere Tiere von Start- und Landebahnen der Flughäfen zu vertreiben.
Die Notlandung des US Airways Fluges 1549 am 15. Januar 2009 auf dem Hudson River durch den Kapitän Chesley B. Sullenberger und den Ersten Offizier Jeffrey B. Skiles wurde z.B. durch einen Vogelschlag hervorgerufen, da Wildgänse in die Triebwerke des Airbus gelangten und dadurch beide Triebwerke ausfielen. Kollisionen von Vögeln mit einem Flugzeug und Vogeschläge sind also ein geläufiges Phänomen im Flugverkehr. Im Sinne der Fluggastverordnung Nr. 261/2004 stellt die Kollision eines Vogels mit einem Flugzeug deshalb keinen außergewöhnlichen Umstand dar. Im Gegenteil belegt die Häufigkeit solcher Kollisionen deutlich, dass ein Vogelschlag Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit eines Luftfahrtunternehmens ist. Eine gegenteilige Würdigung würde dazu führen, ein vollkommen gewöhnliches Vorkommnis im Luftverkehr rechtlich als “außergewöhnlich” zu qualifizieren. Aus diesen Erwägungen heraus beurteilte der EuGH Generalanwalt Yves Bot einen Vogelschlag nicht als außergewöhnlichen Umstand. Demnach würden Fluggäste von der Fluggesellschaft bei einer Flugverspätung von mehr als 3 Stunden oder einer Flugannullierung, die auf einem Vogelschlag beruht, eine Entschädigung über 250, 400 bzw. 600 Euro (je nach Flugstreckenentfernung) fordern können.
Weitere Informationen zum Vogelschlag als außergewöhnlichen Umstand gemäß der Fluggastverordnung Nr. 261/04 finden Sie unter plus.google.com/+JanBartholl. Es bleibt abzuwarten, wie der EuGH am 4.5.2017 in der Rechtssache C-315/15 über einen Vogelschlag als außergewöhnlichen Umstand entscheiden wird.
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Berlin, den 04. Mai 2017 – Rechtsanwalt Jan Bartholl ist als Partner der Rechtsanwaltskooperation Bartholl Legal Services in Berlin als Rechtsanwalt für Fluggastrechte tätig.
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