(Auszug aus dem Buch „Banker sind anders….“
Diese goldene Regel der Finanzierung habe ich in den 90er Jahren während eines Seminars gelernt. Ausgesprochen hat sie ein Trainer aus der Schweiz. Und sie hat mich nicht mehr losgelassen. Wann versteht der Banker eigentlich etwas? Wie kann ich als Kunde dem Banker mein Unternehmen erklären?
An dieser Stelle wird es jetzt interessant. Wir reden über Kommunikation zwischen Kunde und Bank. Damit haben wir die erste Hürde schon einmal genommen. Das ist die Hürde, an welcher der Kunde die Notwendigkeit der Kommunikation mit seiner Bank erkannt hat. Sie lachen?? Ich nicht, denn ich erlebe in meiner Praxis fast täglich Beispiele, an denen der Unternehmer die Notwendigkeit der Kommunikation mit der Bank nicht oder nur unter großen Vorbehalten sieht. „Die verstehen doch eh nix.“
Die zweite Hürde in der Kommunikation hat zunächst nichts mit dem Unternehmer oder dem Banker zu tun. Es ist vollkommen egal, ob in der Kommunikation zwischen Mann und Frau, Geschwistern, Eltern und Kindern, Vorgesetzten und Mitarbeitern, Geschäftspartnern… allen wohnt die gleiche Hürde inne.
Das Problem liegt darin, dass jeder glaubt, er würde richtig kommunizieren. Und der andere nicht. Und das daraus die Missverständnisse entstehen. Nur das halt jeder auch der andere ist. Das ist nur eine Frage des Blickwinkels. OK, das war jetzt kompliziert.
Ich erkläre es. Wenn der Unternehmer sein Unternehmen erklärt, dann tut er das aus seinem Blickwinkel. Wenn jemand Produkte aus Stahl herstellt, dann interessiert er sich für Stahl. Für schwarzen und weißen Stahl, für schweißen, bohren, fräsen. Für die Produkte, die er aus Stahl herstellt, und die Aufgaben, die damit verbunden sind. Für die Maschinen, die er zur Produktion benötigt. Für Mitarbeiter und Märkte. Für Lieferanten und Abnehmer. Das sind die Faktoren, anhand derer der Unternehmen sein Unternehmen begreift. Dafür schlägt sein Herz.
Des Bankers Herz schlägt dafür nicht.
Wenn ein Banker einem anderen Banker ein Unternehmen erklärt, dann redet er über Eigenkapital, Fremdkapital, Bilanzsumme, dem Verhältnis von Lieferanten-verbindlichkeiten zu Forderungen aus Lieferung und Leistung; von Umsatz- und Ertragsentwicklung, Personalkosten und Materialaufwand. Das sind die Faktoren, anhand derer der Banker ein Unternehmen begreift. Dafür schlägt sein Herz.
Des Unternehmers Herz schlägt dafür nicht.
Der Unternehmer betritt sein Unternehmen durch die Tür seiner Produkte, seines Geschäftsgegenstandes. Und die Summe aller Aktivitäten findet ihren Niederschlag irgendwann in der Bilanz. Anders gesagt tut der Unternehmer das, was ihn antreibt, und schaut dann, was in der Bilanz dabei rauskommt. Der Banker schaut erst, was dabei rausgekommen ist, und wendet sich dann den Ursachen der Zahlen zu.
Man könnte auch sagen, der Banker setzt beim Begreifen eines Unternehmens andere Prioritäten. Und zwar fachlich wie emotional.
Die Emotion ist dabei von elementarer Bedeutung. Ich weiß, an dieser Stelle winken viele ab. Emotionen? „Ich treffe Entscheidungen in meinem Unternehmen absolut rational“. Super! Erst kürzlich erzählte eine Management-Trainerin während eines Vortrages von einem Mandanten, Geschäftsführer eines größeren Unternehmens. Dieser hatte sich unter „streng rationalen Gesichtspunkten“ einen Porsche als Dienstfahrzeug gekauft. Weil er sehr oft dienstlich unterwegs sei. Und deshalb häufig in der Situation, sehr schnell überholen zu müssen. Der Mann war von der Ratio dieser Entscheidung vollkommen überzeugt.
Menschen sind emotionale Wesen. Alle. Und es gibt Unterscheide in der Ausprägung. Lässt sich der eine von seinen Emotionen übermannen und ist zu „klaren“ Entscheidungen kaum fähig, so ist das beim anderen genau umgekehrt. Täuschen sollte man sich nicht lassen von Menschen, die keine Emotionen zeigen. Die haben trotzdem welche. Die Kunst liegt wie bei allen Dingen im Leben in der Ausgewogenheit und Balance der beiden Extreme.
Menschen suchen sich instinktiv immer Orte, Begebenheiten und Themen, bei denen sie sich sicher fühlen. Sicherheit entsteht durch Vertrautheit. Aus diesem Grund fahren Menschen 30 Jahre lang an den gleichen Urlaubsort. Gleiches Haus, gleiches Zimmer. Oder schauen sich jeden abend nach der Arbeit Soko 5113 an. Um in Sicherheit abzuschalten.
Banker, die sich mit unterschiedlichen Unternehmenskunden beschäftigen, schauen sich bei allen Unternehmen die Bilanzen an. Das ist vertrautes Terrain. Hier ist der emotionale Zugang. Der Banker kann das, was er da sieht, beurteilen. Auch wenn alle Unternehmen andere Zahlen zeigen, andere Größenordnungen und durch die unterschiedlichen Geschäftszwecke auch andere Relationen. Die Bilanz bietet einen vertrauten Rahmen. Man weiß, wo was steht. Eigenmittel setzen sich durch das Stammkapital, Gewinnvorträge und den Jahresüberschuss zusammen. Das ist so. Fertig.
Anhand der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung erkennt der Banker auf einen Blick, wo das Unternehmen herkommt, wo es heute steht, und -anhand der Planzahlen – wo es hinwill. Und sofern das „wo es hinwill“ mit Krediten gleich welcher Art verbunden ist, empfehle ich an dieser Stelle schon einmal den zweiten Teil dieses Buches.
Was der Banker nicht versteht, finanziert er nicht. Also muss man ihm das Unternehmen so erklären, dass er es versteht. Das ist eine Kernaufgabe des Unternehmers. Er kann nicht darauf warten, dass sich der Kundenbetreuer dies alles selber erarbeitet. Diese Erwartungshaltung, die ich schon oft beobachtet habe, wird regelmäßig nicht erfüllt. Das Ergebnis sind teure Kredite, unpassende Finanzierungen, Abhängigkeiten von Banken, und wenn es ganz schlimm kommt Insolvenzen.
(Auszug aus dem Buch „Banker sind anders….“
Thomas Leopold
Ehemaliger Banker
Heute freiberuflicher Unternehmensberater und Buchautor
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