Zweckentfremdungsverbot-Gesetz oder einfach nur Baurecht?

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Ein Beitrag von Rechtsanwältin Anja Härtel und Rechtsanwalt Alexander Bredereck, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Berlin:

Kurz vor Inkrafttreten des Zweckentfremdungsverbot-Gesetzes hat das Verwaltungsgericht Berlin in diesem Jahr eine Entscheidung zugunsten einer Behörde und zu Lasten einer Eigentümerin getroffen (Beschluss des VG Berlin vom 21.02.2014, Az: 13 L 274/13 – b.) und dies obwohl in 2012 bei fast identischem Sachverhalt eine absolut entgegengesetzte Entscheidung durch das Gericht getroffen wurde (Beschluss des VG Berlin vom 23.01.2012, Az: 19 L 294/11 – a.) – nämlich zu Lasten der Behörde und zu Gunsten der Eigentümer. Wie kann das sein?

Ausgangslage:

In beiden Sachverhalten wurde die Nutzungsuntersagung durch die Behörde auf dieselbe baurechtliche Rechtsgrundlage, nämlich auf § 79 Satz 2 Bauordnung Berlin gestützt:
§ 79 BauO Bln – Beseitigung von Anlagen, Nutzungsuntersagung
(…) Werden Anlagen im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt, kann diese Nutzung untersagt werden.

Das Gericht hat geprüft, ob die aktuelle Nutzung der Wohnungen zu den öffentlich-rechtlichen Vorschriften passte und ob die von der Behörde ausgesprochene Nutzungsuntersagung den rechtlichen (formellen) Anforderungen entsprach.

Beide Entscheidungen nehmen nicht Bezug auf das Zweckentfremdungsverbot-Gesetz (ZwVbG), sondern beruhen allein auf einer baurechtlichen Beurteilung.

a. Beschluss des VG Berlin vom 23.01.2012, Az: 19 L 294/11

Nach Auffassung des Gerichts war die Nutzungsuntersagung der Behörde sowohl formell rechtswidrig als auch materiell rechtswidrig. Deshalb musste dieser Bescheid aufgehoben werden und die Eigentümer haben gewonnen.

Zum einen war der Bescheid der Behörde nicht hinreichend inhaltlich bestimmt. Die Behörde hatte lediglich die Nutzung der näher bezeichneten Wohnungen in der Wilhelmstraße als Beherbergungsstätten untersagt. Das Gericht empfand diese Regelung als nicht ausreichend, da der Empfänger nicht genau wisse, ab wann er was tun oder lassen soll.

Auch eine nähere Umschreibung des Rechtsbegriffs „Beherbergungsstätte“ fehlte vollständig. Die Behörde ist jedoch gesetzlich verpflichtet, bei Erlass von Bescheiden dem Empfänger ein gefordertes Verhalten ganz genau zu beschreiben. Dies ergibt sich aus § 37 Abs. 1 VwVfG. Demzufolge lag hier ein formeller Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften auf Seiten der Behörde vor, so dass dieser Bescheid bereits formell rechtswidrig war.

Darüber hinaus war der Bescheid der Behörde auch materiell rechtswidrig. Für das Wohnhaus in der Wilhelmstraße galt noch eine nach dem Recht der ehemaligen DDR erteilte Baugenehmigung. Aufgrund dieser Baugenehmigung ist die tatsächliche Nutzung des Wohnhauses nicht so sehr eingeschränkt wie nach einer heute erteilten Baugenehmigung für Wohnraumnutzung. Das Gericht beschrieb die Wirkung dieser alten Baugenehmigung mit einer „größeren Variationsbreite“.

Demzufolge lag die gerichtlich festgestellte Nutzung in der Wilhelmstraße, aufgrund der Sachvortrag der Parteien (Mietverhältnisse zwischen drei Monate bis acht Monate, größere Wohnungen als Teil, das Vorhandensein einer Küche, keine hotelähnlichen Serviceleistungen, nicht mehr als zwölf Betten) noch im Rahmen von der genehmigten Wohnnutzung nach baurechtlichen Vorschriften.

Es lag also keine Nutzung im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften gemäß § 79 Satz 2 Bauordnung Berlin vor. Der behördliche Bescheid der Nutzungsuntersagung war demnach rechtswidrig und musste aufgehoben werden. Folglich hat der Eigentümer im Ergebnis gewonnen.

b. Beschluss des VG Berlin vom 21.02.2014, Az: 13 L 274/13

Anders sieht es jedoch in dem Verfahren von 2014 aus.

Hier hat das Gericht bei der vorliegenden Nutzung des Wohnhauses einen Widerspruch zu baurechtlichen Vorschriften feststellen können. Die Nutzungsuntersagung der Behörde war sowohl formell als auch materiell rechtmäßig. Deshalb hatte dieser Bescheid Bestand, durfte nicht aufgehoben werden und die Eigentümer haben verloren.

Zum einen war der Bescheid der Behörde hinreichend inhaltlich bestimmt. Die Behörde hatte konkret die Nutzung auf 12 Wohnungen beschränkt und klargestellt, dass die Nutzung zu einer kurzfristigen, d.h. tageweise oder nur wochenweisen gewerblichen Vermietung als Ferienwohnungen an wechselnde Mieter ab 29. November 2013 untersagt werde. Das Gericht empfand diese Regelung als ausreichend, mit der Folge, dass diese Nutzungsuntersagung formell rechtmäßig war.

Darüber hinaus war der Bescheid der Behörde auch materiell rechtmäßig. Für das Wohnhaus in Pankow gab es keine Baugenehmigung, die eine Nutzung für Ferienwohnungen vorsieht. Die Eigentümer haben auch keine baurechtliche Nutzungsänderungsgenehmigung vorgelegt. Aufgrund des Sachvortrags der Parteien (Werbeflyer in deutscher und englischer Sprache, Einrichtung einer bestimmten Anreise- und Abreisezeit, Wäscheservice und kurze Vermietungsintervalle) stand für das Gericht fest, dass die Eigentümer die Wohnungen als Ferienwohnungen benutzten.

Demnach ging die tatsächliche Nutzung als Ferienwohnung als planungsrechtliche, eigenständige Nutzung über die genehmigte Wohnnutzung hinaus und steht somit im Widerspruch zu den öffentlich-rechtlichen Vorschriften gemäß § 79 Satz 2 BauO Bln. Die Nutzung war so untersagen, der behördliche Bescheid rechtmäßig und die Eigentümer haben verloren.

c. Ausblick Erfolgsaussichten solcher Verfahren aus heutiger Sicht

Aus heutiger Sicht dürften es Eigentümer im Verfahren gegen Nutzungsuntersagung erheblich schwerer haben.

Der Eigentümer im ersten Verfahren aus 2012 müsste heute höchstwahrscheinlich ein so genanntes behördliches Negativattest vorweisen müssen. Das bedeutet, dass die damals ausgestellte Baugenehmigung aus DDR-Zeiten und die damit genehmigte, sehr breite Nutzungsmöglichkeit von Wohnraum auch heute weiterhin Bestand hat.

Neben der weiterhin vorzunehmenden Beurteilung aus baurechtlicher Sicht kommt das nunmehr geltende Zweckentfremdungsverbot-Gesetz hinzu.

Bislang liegen noch keine Entscheidungen vor, die sich mit der Rechtswirksamkeit des Zweckentfremdungsverbot-Gesetzes auseinandersetzen. Diese Verfahren werden mit Sicherheit noch folgen. Dann ist es wieder Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts, zu beurteilen, ob dieses neue Verbotsgesetz verfassungsrechtlichen Maßstäben standhält. Man darf gespannt sein.

Anwaltstipps Vermieter:

Aufgrund fehlender Entscheidungen speziell zur Wirksamkeit des Zweckentfremdungsverbot-Gesetzes kann keine Empfehlung zur unbegrenzten Fortsetzung des zweckentfremdeten Wohnraums gegeben werden. Gleichwohl sind die Behörden mit der Bearbeitung der Genehmigungsanträge für die Übergangsfristen von 2 Jahren stark im Bearbeitungsverzug. Der Einzelfall sollte individuell geprüft werden, da unabhängig vom Zweckentfremdungsverbot-Gesetz von den Behörden auch die baurechtliche Nutzungsänderung geprüft wird und ein Ferienwohnungsbetrieb per Nutzungsuntersagung beendet werden kann.

Anwaltstipps Mieter:

Sollten Sie als Anwohner-Mieter unter Lärmbelästigungen durch zweckentfremdeten Wohnraum, beispielsweise durch den Betrieb als Ferienwohnung, leiden, empfehlen wir die Führung eines Lärmprotokolls und beraten gern zum weiteren Vorgehen gegenüber Ihrem Vermieter und gegebenenfalls auch gegenüber dem störenden Eigentümer der zweckentfremdeten Wohnung.

Quelle:

Gesetz über das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum
(Zweckentfremdungsverbot-Gesetz – ZwVbG) vom 29. November 2013 (GVBl. S. 626) BRV 238-3

Bauordnung für Berlin (BauO Bln) vom 29. September 2005 (GVBl. S. 495)
BRV 2130-10, zuletzt geändert durch Art. I Zweites ÄndG vom 29. 6. 2011 (GVBl. S. 315)

Beschluss des VG Berlin vom 21.02.2014, Az: 13 L 274/13
Beschluss des VG Berlin vom 23.01.2012, Az: 19 L 294/11

06.09.2014

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